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24 February 2018

CALL FOR PAPERS: Commercial Law in South--Eastern Europe: Legislation and Jurisdiction from Tanzimat Times until the Eve of the Great War (Regensburg: Uni Regensburg, Fall 2019); DEADLINE 1 MAY 2018

(image source: Germany Travel)
Conference abstract:
Im 19. Jahrhundert sah sich das Osmanische Reich zu umfassenden Reformen gezwungen. Diese betrafen neben Verfassung und Verwaltung insbesondere auch Zivilrecht und Rechtspflege. Man orientierte sich stark an Frankreich und setzte unter anderem 1850 den Code de Commerce in Geltung, ohne daß die bisher geltenden Regelungen vollständig außer Kraft getreten wären. Im Aufeinandertreffen von überkommenem osmanischem Recht, Gerichtssystem und Gerichtspersonal einerseits und hochmodernem französischem Recht andererseits hat sich ein eigenständiger Rechtskulturraum in Südosteuropa entwickelt.
Im Zuge des Zerfalls des Osmanischen Reiches erfolgte eine Neuordnung Südosteuropas: Mit Rumänien (1878), Serbien (1878), Montenegro (1878), Bulgarien (1908) und Albanien (1913) entstanden eigenständige Staaten; Bosnien-Herzegowina wurde 1878 unter österreichische Verwaltung gestellt und 1908 annektiert. Die spätosmanische südosteuropäische Rechtskultur bildete das Fundament der Rechtskultur dieser Staaten, das reformierte französisch-osmanisch Recht wurde Bestandteil der einzelstaatlichen Rechtsordnungen. Gleichzeitig wirkten aber auch Einflüsse des deutsch-österreichisch-ungarischen Rechts (Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861) in diesen Rechtskulturraum hinein, teilweise direkt, teilweise über den vom deutschen Recht beeinflußten italienischen Codice di Commercio von 1882.
Am Beispiel des Commercial Law soll der südosteuropäische Rechtskulturraum exploriert werden. Dabei sollen über eine bloße Dokumentation der rechtshistorischen Ereignisse hinaus zum einen Fragen der Rechtsrezeption bzw. des Rechtstransfers eine wichtige Rolle spielen, zum anderen Fragen der Rechts- und Gerichtspluralität. Insbesondere im Falle Bosnien-Herzegowinas dürfte es auch auf kolonialpolitische Fragestellungen ankommen. Hierfür bedarf es zunächst der Beantwortung ganz grundlegender Fragen für die einzelnen Territorien/Staaten, bevor eine Auswertung einschlägiger Gerichtsakten erfolgen kann.
- Wie haben sich während des Berichtszeitraums, im Spiegel der jeweiligen verfassungs-rechtlichen Wandlungen, die Rechtsordnung des jeweiligen Territoriums/Staates insgesamt und der Normbestand des Handels- und Gesellschaftsrechts insbesondere entwickelt? Wann und unter welchen Umständen erfolgte die Rezeption bzw. der Transfer welcher fremden Normen des Handels- und Gesellschaftsrecht in die jeweilige Rechtsordnung? Entstand hierdurch ein homogenes Rechtssystem oder ein Rechtspluralismus und in welchem Verhältnis zueinander standen gegebenenfalls die unterschiedlichen Normenkörper?
- Welche Behörden oder Gerichte waren für die Anwendung der Normen zuständig? Welche Behördenhierarchien oder Instanzenzüge bestanden? Ist ein Nebeneinander mehrerer konkurrierender Institutionen anzutreffen und auf welche Weise wurde die Konkurrenz aufgelöst? Wie wurde das jeweilige Personal rekrutiert, wie war es ausgebildet, welchen Regeln unterlag es, wie wurde es besoldet? Welche Regelungen zur Unabhängigkeit der Rechtsprechung bestehen? Auf Grundlage welcher Normen und mit welchem Inhalt waren der Ablauf der Verfahren und der Vollstreckung von Entscheidungen geregelt? Wer vertrat die Parteien gegebenenfalls vor Gericht, ist ein professioneller Anwaltsstand entstanden?
- Einzelfallebene: Was ergibt eine quantitative Analyse im Hinblick auf die Anzahl der durchgeführten Verfahren, persönliche Merkmale der Streitparteien, Verfahrensgegenstände, ordentliche und außerordentliche Rechtsmittel, freiwillige Erfüllung oder Notwendigkeit der Vollstreckung von Entscheidungen, gütliche Einigungen? Was ergibt eine qualitative Analyse der Einzelfallakten im Hinblick auf den Stil der Entscheidungen und auf die Anwendung des geltenden/konkurrierenden Rechts? Bestehen Diskrepanzen zwischen geschriebenem und angewendetem Recht, was ist die Rolle des Gewohnheitsrechts oder der Tradition? Wie haben Parteien und Gericht argumentiert, auf welche Autoritäten berufen sie sich, wen oder was zitieren sie? Wie ist das Verfahren abgelaufen? Gibt es Hinweise auf sachfremde Einflüsse wie Bestechung oder Patronage? Wie ist gegebenenfalls die Zwangsvollstreckung abgelaufen, wie effektiv wurden also die Entscheidungen durchgesetzt?

Practical:

Wir erbitten Ihre Vorschläge (max. 500 Wörter plus kurzer Lebenslauf) bis 1. Mai 2018 an martin.loehnig@ur.de. Wir informieren Sie bis 1. Juni 2018 über das Ergebnis der Begutachtung.
Im Herbst 2019 wird an der Universität Regensburg eine Tagung stattfinden, auf der die ausgearbeiteten Papers präsentiert und diskutiert werden können. Die Kosten Ihrer Anreise und Ihres Aufenthalts in Regensburg erstatten wir Ihnen gerne.
Die überarbeiteten Fassungen der Tagungsbeiträge werden - gerne auch in ausführlicherer Version - in Form eines Tagungsbandes, der bei einem angesehenen Fachverlag erscheinen soll, publiziert.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an martin.loehnig@ur.de.

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