Auch diesen Herbst und Winter laden die MGH zu einem breiten Themensprektrum an Online-Vorträgen ein. In der Reihe „Vorträge zur Geschichte der Mittelalterforschung“ befassen sich am 24.11.22 Prof. Dr. Reinhard Blänkner mit Otto Brunner und am 23.3.23 Dr. Kerstin Thieler mit Percy Ernst Schramm.
Die Reihe „Zurück zu den Quellen“, in der Mitarbeiter/-innen der MGH und Editoren/-innen ihre Forschungsergebnisse vorstellen, wird am 26.1.23 mit einem Vortrag von Philipp T. Wollmann über litterae clausae in der Kanzlei Friedrichs II., am 23.2.23 mit einem Vortrag von Dr. Levi Roach über eine vernachlässigte Originalurkunde Ottos I. und am 20.4.23 mit einem Vortrag von Anna C. Nierhoff über die Rezeption der Bamberger Weltchroniken fortgesetzt.
Alle Vorträge finden donnerstags um 18 Uhr auf der Online-Plattform Zoom statt. Die Zugangsdaten erhalten Sie nach Anmeldung ca. 3 Tage vor der Veranstaltung. Um Ihre Anmeldung wird gebeten per E-Mail an annette.marquard-mois@mgh.de.
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PROGRAMME
24. November 2022: Otto Brunner (1898-1982). Denkwege auf der Suche nach Ordnung
Otto Brunner gehört zu den einflussreichsten Historikern in der deutschsprachigen Gelehrtenwelt des 20. Jahrhunderts. Die Wirkung seines wissenschaftlichen Werks reicht über die Geschichtswissenschaft hinaus in die übrigens Geistes- und Sozialwissenschaften. Aufgrund seines intellektuellen Engagements für den Nationalsozialismus polarisiert sein Werk jedoch bis heute die fachhistorische Zunft. Jenseits apologetischer oder denunziatorischer Interpretationen ist daher nach Kontinuitäten, Brüchen und Transformationen in Brunners Werk zu fragen, in dessen Zentrum das Problem der „Ordnung“ in den vielfältigen Kontexten des 20. Jahrhunderts steht.
Prof. Dr. Reinhard Blänkner ist seit seiner Emeritierung Senior Scholar an der Fakultät für Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Aus seinen Forschungen über Otto Brunner sind mehrere Veröffentlichungen als Vorbereitung einer Monographie hervorgegangen, die Werk und Wirkung Brunners in interdisziplinäre Kontexte und in die politischen Rahmenbrüche des 20. Jahrhunderts stellen.
26. Januar 2023: Verschickte Friedrich II. geheime Botschaften? Überlegungen zur Verwendung von litterae clausae und cedulae interclusae im 13. Jahrhundert
Nach Paulius Rabikauskas enthielten verschlossen ausgefertigte Briefe – die sogenannten litterae clausae – vor allem Geheimes oder Privates. Diese Annahme lässt sich meist nur schwer überprüfen, denn es sind nur wenige litterae clausae im Original überliefert. Die meisten davon stammen aus der päpstlichen Kanzlei. Für diese konnten zuletzt Christoph Egger und Werner Maleczek die Bandbreite ihres Inhalts vom 13. bis zum 15. Jahrhundert aufzeigen. Für die kaiserliche Kanzlei Friedrichs II. lässt sich in den bisher erschienenen Bänden der Diplomata-Edition kein einziges verschlossen ausgeführtes Diplom nachweisen. Anders sieht es allerdings in der kopialen Überlieferung aus.
Mithilfe des erhaltenen Registerfragments und einiger Hinweise in der sogenannten Summa dictaminum des Petrus de Vinea wird der Verwendung von litterae clausae in der Kanzlei Friedrich II. nachgegangen, wobei vor allem Fragen nach deren Nutzung und Inhalt gestellt werden.
Philipp T. Wollmann studierte in Augsburg und München Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte und promoviert aktuell bei Martina Hartmann zur päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit in Bayern und Österreich. Seit Oktober 2019 ist er Mitarbeiter der MGH und unterstützt Karl Borchardt bei der MGH-Edition der nach Petrus de Vinea benannten Summa dictaminum.
23. Februar 2023: D O I. 161: Eine vernachlässigte Originalurkunde Ottos des Großen
2020 war ein Sensationsjahr für die ottonische Diplomatik. Neben der europaweit gefeierten Wiederentdeckung einer Originalurkunde Ottos II. (MGH D O II. 284) im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg machte Laurent Morelle der Gelehrtenwelt auf zwei bisher übersehene ottonische Urkunden im Archiv des Herzogs von Arenberg aufmerksam. Während diese Neufunde (zurecht) großes Interesse genießen, besteht die Gefahr, dass ältere Entdeckungen übergangen werden. Levi Roach befasst sich mit einer solchen „vernachlässigten“ Originalurkunde, einer Zollurkunde für das Bistum Worms, in der MGH-Edition bezeichnet als D O I. 161. Auf dieses Original verwies Paul Kehr bereits 1931. Hartmut Hoffmann widmete ihm zwei Sätze und brachte es in Verbindung mit den berüchtigten Wormser Fälschungen. Eine eingehende Untersuchung lehrt jedoch, dass diese Urkunde noch nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben hat.
Levi Roach studierte in Cambridge und Heidelberg und promovierte 2011 in Cambridge. Seit 2012 lehrt er an der University of Exeter als Associate Professor für mittelalterliche Geschichte. Für sein aktuelles Forschungsprojekt über die Herrscherurkunden der Ottonenzeit erhielt er im August 2022 das MGH-Fellowship des Fördervereins Pro arte edendi – Freunde der MGH e.V.
23. März 2023: „Schramm drüber“? Der Mittelalterhistoriker Percy Ernst Schramm (1894-1970) und seine Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus
Der Vortrag behandelt die ambivalente Auseinandersetzung des Mittelalterhistorikers Percy Ernst Schramm mit der Zeit des Nationalsozialismus. Unter anderem wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft aus dem Professorenamt temporär entlassen, widmete er sich nach seiner Wiedereinsetzung in starkem Maße der NS-Zeit und seiner Rehabilitation.
Das eigene Agieren und sowie die familiäre Verfolgungserfahrung in der NS-Zeit stehen dem gesellschaftlichen Engagement in der Aufklärung nach 1945 gegenüber. Insbesondere seine Themenwahl machte ihn, zumal da Mitte der sechziger Jahre eine breite Beschäftigung mit der NS-Zeit einsetzte, öffentlich angreifbar. Die Verleihung des Pour-le-Merité-Ordens durch Schramm an den Emigranten und ehemaligen Kollegen Ernst Panofsky in München führte im Nachgang zu einer lange vermiedenen Konfrontation mit seiner persönlichen NS-Geschichte.
Dr. Kerstin Thieler promovierte 2013 mit einer Studie zur politischen Gesinnungskontrolle durch lokalen NSDAP-Funktionäre in Göttingen bei Bernd Weisbrod. An der Universität zu Köln beschäftigt sie sich mit der erinnerungskulturellen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, der Kölner Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert sowie der Kopplung von Elitenrekrutierung und Demokratisierung in der frühen Bundesrepublik.
20. April 2023: Auf verschlungenen Wegen – Eine Spurensuche zur Rezeption der Bamberger Weltchroniken
Die Werke von Frutolf von Michelsberg und seinen Fortsetzern, die an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert entstanden sind, beeinflussten in erheblichem Maße die nachfolgenden Geschichtswerke. Die neuerdings unter dem Begriff der Bamberger Weltchronistik subsumierten Chroniken wurden im Laufe der Zeit wiederholt fortgesetzt, paraphrasiert, auszugsweise in andere Annalen oder Chroniken inkorporiert und in Form von Exzerpten weitertradiert. Diese mannigfaltigen, sich teils überlagernden Rezeptionsstränge stehen im Zentrum des Vortrags.
Anna Claudia Nierhoff studierte Geschichte mit Schwerpunkt Mittelalter sowie Antike und Orient an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2021 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der MGH und promoviert bei Martina Hartmann zum Thema „Die Rezeption der Bamberger Weltchronistik. Studien zur Wirkungsgeschichte der Chroniken von Frutolf und seinen Fortsetzern“.
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