Call for Papers:
Polizei und Demokratie seit dem 19. Jahrhundert
30. Kolloquium zur
Polizeigeschichte
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Duisburg, 25.05.-27.05.2020
Veranstalter des 30. Kolloquiums zur Polizeigeschichte
(25.05.-27.05.2020) ist das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg.
Zentrales Thema der Tagung ist Polizei und Demokratie seit dem 19.
Jahrhundert. Ein zweiter Schwerpunkt wird die archivalische Überlieferung
der Polizei und deren Digitalisierung betreffen. Zudem ist wie üblich
eine offene Sektion vorgesehen.
Polizei und Demokratie zusammen zu denken ist in der longue
durée der Entwicklung der modernen Polizei seit dem frühen 19. Jahrhundert
ein Ansatz neueren Datums. Das Verhältnis von Polizei und Demokratie – nicht
nur in Europa und in Nordamerika, sondern auch in anderen Kontinenten (Afrika,
Lateinamerika oder Asien) – kann unter verschiedenen Aspekten thematisiert
werden. Zum einen geht es um die Einflüsse politischer Akteure auf die Polizei
sowie um die Positionierung der Polizei zu und in (demokratischen) politischen
Systemen (Polizei in der Demokratie). Zum anderen rückt auch die Demokratie
innerhalb der Polizei in den Blick (Demokratie in der Polizei). Drittens bleibt
zu fragen, inwieweit beide Aspekte miteinander verflochten sind. Das
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen mit seinen Beständen dokumentiert viele dieser
Themenfelder.
Für die Polizei auf dem Gebiet des späteren Landes
Nordrhein-Westfalen endete das lange 19. Jahrhundert erst 1945, als die Briten
in ihrer Besatzungszone eine Polizeireform durchzusetzen versuchten, die
Polizei und Demokratie in einem umfassenden Sinne miteinander verbinden sollte.
Widerstände dagegen reflektierten die Entstehungsbedingungen der modernen
Polizei im 19. Jahrhundert, die in erster Linie als Institution zum Schutz des
Staates konzipiert war. Dieser Fokus auf
den Staats-Schutz beinhaltete auch eine mehr oder minder ausgeprägte soziale
bzw. repressive Distanz zum Publikum. Die Polizei und die herrschenden politischen
und sozialen Ordnungen des 19. Jahrhunderts gingen eine enge Verbindung ein.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts, bei wachsender Kritik an der Polizei insgesamt
sowie ihren autoritären Praktiken und Binnenstrukturen, setzten Versuche ein,
die Polizei demokratischer, sprich ‚volksnäher‘ zu gestalten. In diese Zeit
fiel auch die zunehmende Nutzung der Medien durch die Polizei, sowie eine
intensivere Beobachtung der Polizei durch die Medien. Diese Ansätze erhielten
Auftrieb, als mit dem Ende des Ersten Weltkriegs die politischen Systeme vieler
Länder demokratisch umgestaltet wurden. Einerseits gab es nun Bestrebungen, die
Polizei sowohl intern als auch im Aufgabenprofil zu demokratisieren.
Andererseits standen diese Bemühungen, zumindest unmittelbar nach dem Ersten
Weltkrieg, in einem massiven Spannungsverhältnis zur anhaltenden Rekrutierung
militärischen Personals und zu transnationalen Revolutionsängsten.
Diese demokratischen Ansätze wurden durch die
Etablierung faschistisch-diktatorischer Regime und des Kommunismus in der
Sowjetunion sowie durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen bzw. beendet. Im so
genannten Ostblock wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Polizeien
‚volksdemokratischen‘ Typs eingerichtet, die erst Ende der 1980er bzw. zu
Beginn der 1990er Jahre abgewickelt wurden. In der Bundesrepublik, aber auch in
vielen anderen europäischen Ländern außerhalb des Ostblocks prägten die
Traditionslinien, die im frühen 19. Jahrhundert angelegt worden waren, noch
lange die polizeilichen Konzeptionen und Praktiken. Trotz vieler
Reformbemühungen blieben der Vorrang des Staats-Schutzes sowie autoritäre
polizeiliche Praktiken und Binnenstrukturen in einigen Ländern bis in die
1970er Jahre und länger erhalten. Danach setzten – nicht nur in Deutschland –
Polizeireformen ein, die diese Traditionslinien infrage stellten und durch
andere Funktionsmodelle zu ersetzen versuchten (Polizei als sozialstaatliche
Einrichtung, partizipative Modelle – z.B. Ordnungspartnerschaften usw.), oft
getragen von einer gesamtgesellschaftlichen Legitimierung des polizeilichen Gewaltmonopols.
Oftmals sahen sich diese Reformen jedoch mit langlebigen autoritären Überhängen
in der (Binnen-)Kultur der Polizei konfrontiert.
Im Folgenden einige Leitfragen, die
als thematische Orientierungen für Beiträge zum Tagungsschwerpunkt Polizei
und Demokratie dienen sollen:
·
Bürgerschaftliche
Sicherheits- bzw. Polizeiorgane im 19. Jahrhundert: Welche bürgerschaftlichen
Sicherheits- bzw. Polizeiorgane wurden im 19. Jahrhundert etabliert? Endeten
diese Ansätze mit dem Ende des Zeitalters der Revolutionen 1848/49, oder wurden
sie danach in veränderten Formen fortgeführt?
·
Polizei,
Demokratie und Kultur der Polizei: Mit welchen Praktiken und mit welchem Repertoire
begegnete die Polizei demokratischen Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert?
Lassen sich diese Interaktionen primär in einem Repressionsschema verorten,
oder erlaubte der ‚Eigensinn‘ der Betroffenen auf beiden Seiten
Interaktionsspielräume? Wie veränderte sich die Kultur der Polizei vom 19. bis
in das beginnende 21. Jahrhundert? Demokratische Kontrolle der Polizei: Ein
Nicht-Thema?
·
„Volksnähe“,
Medien und Polizei:
Wie manifestierten sich Versuche zur Überbrückung der Distanz zwischen Polizei
und Polizierten? Inwieweit beförderten die Nutzung von Medien für die
Polizeiarbeit, wie auch die wachsende Aufmerksamkeit, die die Polizei durch
mediale Berichterstattungen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und dann
insbesondere seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erfuhr, eine
Demokratisierung der Polizei?
·
Gewerkschaftliche
polizeiliche Selbstorganisation: Freie Gewerkschaften gelten als Indikatoren
demokratischer Systeme. Wie entwickelte
sich die gewerkschaftliche Selbstorganisation der Polizei seit dem Beginn des
20. Jahrhunderts und wie wirkte sie sich auf das polizeiliche Binnenleben sowie
auf die öffentliche Wahrnehmung von Polizei aus?
·
Wechsel
politischer Systeme im 20. Jahrhundert: Welche Bedeutung hatten Wechsel
politischer Systeme für die Polizei, abgesehen von Säuberungen des Personals?
Inwieweit wurden auch die Polizeiarbeit (Strategien und Praktiken) sowie die
Kultur der Polizei davon tangiert?
·
Polizei
außerhalb Europas: Welche
Entwicklungsmuster zeigten nicht-europäische Polizeien, etwa in Lateinamerika,
Afrika oder Asien? Wie positionierten diese sich zu staatlichen und
nichtstaatlichen Akteuren? Welche Arbeitsformen und kulturellen Muster bildeten
sich heraus, insbesondere in Phasen von Entkolonialisierung und
Demokratisierung?
Auch zum zweiten Tagungsthema Archivalische Überlieferung der Polizei
und deren Digitalisierung sind Beiträge erwünscht. Wie in den vergangenen
Jahren üblich, wird es auch die Möglichkeit geben, in einer freien Sektion
polizeigeschichtliche Forschungen oder Werkstattberichte ohne Bezug zu den
Hauptthemen der Tagung zu präsentieren.
Bitte senden Sie Ihren Beitragsvorschlag (inkl. einer
kurzen Zusammenfassung und einer kurzen biografischen Notiz) unter dem Betreff
„30. Kolloquium zur Polizeigeschichte“ bis zum 20. Januar 2020 an die folgende
E-Mail-Adresse: poststelle@lav.nrw.de.
Die Übernahme der Reise- und Übernachtungskosten für angenommene
Referent(inn)en ist beabsichtigt.
English Summary
The 30st colloquium on police history focuses on
police and democracy since the 19th century. The conference is
clustered around two core issues: Police/police culture and/in democratic
political systems and democracy within the police. Papers might, amongst
others, address issues like:
·
Non-state, civil police forces since the 19th
century. Impact, continuities and discontinuities
·
Police and democratic developments during the 19th
and 20th centuries, global and transnational perspective included.
Democratic control of the police
·
Police and its clients, police and the media
·
Police unions and democracy within the police
·
From democracy to totalitarian regimes and back: The
trajectories of the police as an actor and/or as an object of changes of
political systems
·
Patterns of police (cultures) and democracy in a
global perspective.
A second focus of the conference will be on archival
sources of police forces and their digitization. An open section is – as in the
previous years – planned as well.
Please send your proposal (a short summary and a short
biographical note included), using the reference “30. Kolloquium zur
Polizeigeschichte” until January 20th, 2020 to the following
email-address of the Northrhine-Westphalian State Archive: poststelle@lav.nrw.de. The
assumption of travel and accommodation costs for accepted speakers is intended.
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